Papa sucht den Regenbogen

Papa sucht den Regenbogen
September 4, 2016 Monika

Dokumentarisches Theaterprojekt zur Situation von Kindern Inhaftierter in JVA-Wriezen aufgeführt
MOZ, Oderland Echo, 3./4. September 2016
Von Lucas Vogel

Wriezen (MOZ) Wie fühlen sich Kinder, deren Eltern im Gefängnis sind? Diese Frage stellte sich auch Regisseurin Monika Dobrowlanska. Das Ergebnis: ein Theaterstück. Mit Unterstützung des Vereins Freie Hilfe Berlin und der SPD-Landtagsabgeordneten Simona Koß, wurde es nun in der JVA-Wriezen aufgeführt.

„Mein Sohn ist zweieinhalb ihm: Papa sucht den Regenbogen“, antwortet ein Gefangener der JVA-Wriezen auf die Frage, ob er bereits Vater ist und ob sein Kind weiß, wo er sich aufhält. In der Gesprächsrunde nach dem eben zu Ende gegangenen Theaterstück, werden die jungen Inhaftierten zugänglich. Die Justizvollzugsanstalt in Wriezen ist die einzige in Brandenburg, die speziell für heranwachsende Straffällige zuständig ist. Trotzdem sind viele schon selbst Väter. Einige haben auch als Kinder bereits erfahren, wenn der eigene Vater oder die eigene Mutter im Gefängnis sitzt und was das für einen jungen Menschen in der Gesellschaft bedeuten kann. Genau diesem Thema, nämlich der Situation von Kindern Inhaftierter, hat sich das Künstlerkollektiv „multicultural city“ um Monika Dobrowlanska gewidmet. Unterstützt wird das Projekt vom Verein Freie Hilfe Berlin, der sich der Straffälligen- und Wohnungslosenhilfe widmet. Das Ergebnis ist ein Theaterstück, das von den drei Schauspielern Christine Rollar, Mirja Henking und David Kopp aufgeführt wird und den Titel „Geheimnisse – Was ich nicht weiß…!“ trägt. Es wurde unter anderem bereits im Berliner offenen Vollzug und im Gymnasium „Auf den Seelower Höhen“ gezeigt. Unterstützt wird das Projekt von der SPD-Landtagsabgeordneten Simona Koß, die in Wriezen mit dabei war. Die Handlung des Theaterstücks gliedert sich in zwei Stränge, die beide parallel aufgeführt werden. Walter, gespielt von David Kopp, ist mit seiner Mutter umgezogen und neu in der Schule. Auf neugierige Fragen seiner Mitschüler antwortet er nur sehr ungern. Dass sein Vater, ein verurteilter Waffenhändler, im Gefängnis sitzt, soll niemand erfahren. „Der ist mit einer anderen Frau durchgebrannt“, antwortet er lediglich kurz und knapp.

Als ihre Mutter ins Gefängnis kommt, beginnt für Elfi ein Alptraum. Ihre Mutter hat im Affekt ihren Chef, der sie jahrelang schikaniert und erpresst hat, erschlagen. Ihre Scham darüber ist so groß, dass sie nicht weiß, wie es weitergehen soll. „Die Thematisierung und Aufarbeitung dieses vernachlässigten Tabuthemas ist unser Ziel. Als ich angefangen habe mich damit zu beschäftigen, war ich sehr verwundert, wie wenig Material es darüber gibt. Aber wir sind dran geblieben und fanden Gehör. Als Künstler muss man manchmal stur sein“, sagt Regisseurin Monika Dobrowlanska. Schätzungsweise seien in Deutschland 100 000 Kinder von dem Umstand betroffen, dass ein Elternteil im Gefängnis sitzt. Wenn das bekannt wird, werden die Kinder oftmals mit stigmatisiert. Neben diesem Hauptthema stellt das Theaterstück auch die Probleme Alkoholkonsum und Gewalt innerhalb der Familie dar. Themen, die viele der jungen Häftlinge bereits aus erster Hand erfahren haben.

Etwa 100 Inhaftierte sind zur Zeit in der JVA-Wriezen untergebracht. Zirka 50 waren bei der Aufführung dabei. Freiwillig. Gezwungen wurde niemand. Vielleicht waren einige auch nur da, weil die Vorführung in der Turnhalle eine willkommene Abwechslung zum tristen Gefängnisalltag war. An einigen Stellen des Theaterstücks war die Aufmerksamkeit eher gering. Einige gingen lieber rauchen, anstatt der Vorführung zu folgen. An anderen Stellen, beispielsweise als Walter schildert, wie er sich auf eine einsame Palmeninsel träumt und diese detailliert beschreibt, ist es mucksmäuschenstill. Eine Fantasie, die der ein oder andere durchaus ebenfalls schon gehabt haben dürfte. Als Chistine Rollar einen Gefangenen für eine kurze Szene braucht und sagt: „Du, Till Schweiger, komm mal her“, bricht lautes Gelächter aus. Als Fazit des Theaterstücks verkündet Rollar ein Zitat von Arthur Schopenhauer:

„Das Leben mischt die Karten, aber wir spielen damit.“